Die RAF und die Künste

Zum Abschluss der im Haus der Geschichte Baden-Württemberg in Stuttgart gezeigten Ausstellung „RAF – Terror im Südwesten“ (14.6.2013 – 23.2.2014) wird ein von dem interdisziplinären Netzwerk-Terrorismusforschung (NTF) e.V. organisierter Workshop die Rezeption des Linksterrorismus der RAF in den Künsten zur Diskussion stellen. Dabei geht es vorrangig um künstlerisch verwendete Medien wie Texte, Bilder, Filme, Tondokumente, Skulpturen, Installationen und Aufführungen, aber auch um kunstaffine Selbstdarstellungen der RAF seit den 1970er Jahren (vom grafischen Logo bis zum Konzept der Avantgarde). Die Tagung soll die Perspektiven der Ausstellung um eine Dimension erweitern, die künstlerische Kontexte, Manifestationen sowie Formen der Wiedererinnerung und Nacherzählung einer Phase der politischen Geschichte betrifft, zu deren Bild Kriminalistik, Journalismus, historische und politische Wissenschaft stetig neues Material hinzufügen.

Astrid Proll behauptet im Vorwort zu ihrem Fotoband Hans und Grete (2004), der Linksterrorismus sei „spätestens seit dem Fall der Mauer und der Wiedervereinigung ein abgeschlossenes Kapitel der Historie der alten Bundesrepublik Deutschland“. Dennoch lässt dieses Kapitel offenbar eine Vielzahl ästhetischer Nach-, Neu- und Überschreibungen zu (oder bedingt diese sogar). In der Malerei, der Fotografie, in Videoinstallationen und im Film wird die RAF von zeitgenössischen KünstlerInnen und RegisseurInnen rezipiert, wie u.a. die paradigmatische Ausstellung „Zur Vorstellung des Terrors: Die RAF“ 2005 in Berlin gezeigt hat. Auch Theater und Literatur repräsentieren denkbar verschiedenartige Zugänge zu den historischen Ereignissen: von fiktionaler Mimesis oder Verfremdung über popästhetische Adaption bis zur autobiografischen Prosa oder biografischen Rekonstruktion. – Das Verhältnis zwischen Terrorismus und Kunst ist aber darüber hinaus kein bloß einseitiges bzw. nachträgliches: Während einige Akteure selbst aus der Kunstszene hervorgegangen sind (vgl. etwa Holger Meins, Philipp Werner Sauber), haben andere in ihren Haftjahren eine literarische Produktivität entfaltet (Peter Jürgen Book, Peter Paul Zahl u.a.). Das alles verweist auf eine – nicht nur thematische – Affinität zwischen terroristischer Gewalt und Ästhetik, die auch auf das Konzept der Avantgarde und die subversive Rolle der Kunst in den Manifesten der Kunst und Literatur des 20. Jahrhunderts zurückbezogen werden kann.

Im Kontext der Stuttgarter Ausstellung bezieht sich der Workshop auf die RAF als Erinnerungsort (lieu de mémoire, Pierre Nora), dessen Zeichencharakter in künstlerischen Adaptionen vielfältig variiert wird. In den so stattfindenden Medialisierungen ergänzen oder durchkreuzen sich authentische Mitteilungs- und Wahrheitsansprüche, ästhetische Fiktionen sowie gegensätzliche politische Bewertungen und Projektionen. Insbesondere die Künste scheinen für die „Nachbilder“ der RAF einen Schauplatz abzugeben, auf dem solche Differenzen von politischer Positionierung und Rekonstruktion, subjektiver Erinnerung und postmodernem Spiel ausgetragen werden.


Was:NTF-Workshop
Wann:
Wo:
Anmeldung:info@ntfev.org