† Florian Peil (1975 – 2024)

Leben Sie wohl, alter Freund

von Prof. Dr. Stephan G. Humer

Die Zeit vergeht schnell. 2013, vor elf Jahren, haben wir das Netzwerk Terrorismusforschung (NTF) gegründet, damals, in der Universität der Künste Berlin, nach unserer Auftaktveranstaltung, welche direkt über 60 Teilnehmende, darunter zahlreiche Sicherheitsbehörden, anlockte. Es war der Startschuss für ein, das kann man sicherlich so sagen, durchaus erfolgreiches Netzwerk, welches jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auf ihrem Weg in den Wissenschaftsbetrieb helfen sollte. Und das hat auch das eine oder andere Mal gut funktioniert, so mein Eindruck.

Einer, der damals schon längst keine Unterstützung mehr brauchte, war Florian Peil. Im Rahmen unserer Netzwerkarbeit liefen wir uns über den Weg, leider weiß ich gar nicht mehr, wo genau. Aber die Szene ist eh überschaubar, früher oder später kennt man die wesentlichen Akteurinnen und Akteure, die wesentlichen Strukturen und Projekte, und früher oder später trifft man sich auch. Mit vielen ist man spätestens nach dem ersten Bier am Abend nach einer Konferenz beim „Du“, doch Florian Peil und ich hielten es wie Siegfried Lenz und Helmut Schmidt und blieben stets beim freundschaftlichen „Sie“. Warum? Auch hier entzieht sich der Grund inzwischen meiner Kenntnis. Es ergab sich so und es war gut so.

Florian Peil war im Netzwerk jemand mit einer besonderen Rolle: Nach seinem Studium verfolgte er keinen Karrierewunsch in der Akademie, sondern arbeitete nach eigener Auskunft bei einer Sicherheitsbehörde. Ich lernte ihn in seiner späteren Phase als Freiberufler in der Sicherheitsberatung kennen, wir trafen uns fortan sporadisch in Berlin. Er berichtete von seiner Arbeit, diskret, aber unterhaltsam, und ich erzählte von meinen Forschungsprojekten. Es gab immer viel zu besprechen, unsere Treffen dauerten gern einige Stunden, was uns freilich nicht störte, vielleicht aber den einen oder anderen Menschen am Nachbartisch, wenn der Humor zwischendurch die Oberhand gewann und wir herzlich loslachen mussten. Spaß muss sein, sagt der Volksmund, und er irrt hier nicht, auch und gerade nicht in der Sicherheitsforschung und -beratung, denn dort ist das Leben manchmal sehr anstrengend und die Frage des Humors und seiner Adäquanz in diesem Umfeld eine alte, aber letztlich individuelle. Wir entschieden uns dafür, und das war auch gut so.

Als das NTF im Februar 2017 erneut einen Workshop veranstaltete, bot Florian einen Vortrag an. Neben Tom Schreiber (seinerzeit Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses für die SPD) und André Schulz (seinerzeit Bundesvorsitzender des Bund Deutscher Kriminalbeamter) war Florian der dritte Vertreter aus der Praxis, was wir im NTF stets als enorme Bereicherung wahrgenommen haben, denn nichts ist für uns schlimmer als das Schmoren im eigenen Saft. Wie gesagt: Die Szene ist klein, man kennt sich, und in der Sicherheitsforschung spielt die Praxis eine enorme Rolle. Würden wir uns auf das Produzieren von Büchern konzentrieren und den Rest einfach außer Acht lassen, so wären wir für alle Menschen jenseits des Wissenschaftsbetriebs nicht interessant, doch das soll das NTF, soll Sicherheitsforschung sein. Und so wurde dieser Workshop zweifellos einer unserer besten, auch und gerade dank Florians Beitrag. Es war wieder mal ein Workshop, auf dem nicht nur Ergebnisse produziert wurden und man abends ein oder zwei Gläser miteinander trank, sondern auf dem Freundschaften entstanden.

Es wäre übertrieben, wenn ich behaupten würde, dass Florian Peil und ich enge Freunde mit sehr regelmäßigem Kontakt gewesen wären. Vieles fand rein digital statt, manches selten, er arbeitete viel, was aber einer freundschaftlichen Beziehung nicht schaden muss, ganz im Gegenteil. Florian war immer erreichbar, sprach immer konstruktiv, stets klug und differenziert, und man selbst war nach ausnahmslos jedem Dialog immer klüger als vorher. Ich kann nur hoffen, dass es ihm auch so ging. Analog, digital, so oft wie irgend möglich. Ich wollte in meiner Rolle als Kolumnist für das Branchenmagazin „WM Intern“ sein letztes Buch rezensieren, aber dann wurde das Magazin eingestellt und meine Kolumne fand erst im August eine neue Heimat bei einer anderen Website, so dass das Buch immer noch auf seine Rezension wartet. Wir wollten uns auch in diesem Jahr noch in Berlin treffen. Dazu wird es nun nicht mehr kommen.

Ich dürfte der Mensch innerhalb des NTF sein, der Florian am besten kannte, weshalb ich gebeten wurde, diesen Nachruf zu schreiben. Dies tue ich so gern wie ungern. Wenn jemand mit Ende 40 stirbt, dann ist das immer zu früh. Journalisten bereiten bei bekannten Persönlichkeiten ab einem gewissen Alter einen Nachruf vor, der dann aus der Schublade gezogen werden kann, wenn der Tag der Tage eintritt. Nun bin ich kein Journalist und auch rechnete ich mit Sicherheit nicht mit Florians Tod. Und so musste ich nun diesen Nachruf unvorbereitet schreiben. Aber wie soll man sich auf so ein tragisches Ereignis überhaupt vorbereiten können? Was würden Textbausteine hier schon helfen? Nichts, was ich schreibe, kann dem Menschen Florian Peil in seiner Gesamtheit gerecht werden. Man kann hier nichts anderes als überrascht, schockiert sein. Aber Florian hat einen Nachruf verdient, der ihn würdigt, der ihm so gut wie nur möglich gerecht wird, und wenn das erreicht wurde, zumindest ansatzweise, dann ist das angesichts der Herausforderung wahrscheinlich gar nicht so wenig.

Das Netzwerk Terrorismusforschung verabschiedet sich in Trauer von einem außergewöhnlichen Mitglied, einem intelligenten Mitstreiter, einem echten Charakter, einfach: einem wunderbaren Menschen. Wir möchten den Angehörigen unser tief empfundenes Beileid aussprechen und sind in Gedanken bei ihnen, insbesondere bei Florians engstem Umfeld und seinem Freundeskreis. Wir verlieren einen Menschen, von dem man sagen kann, ja: sagen muss, dass er das Leben der Menschen in seiner Nähe immer und ausnahmslos bereichert hat. Das Leben anderer Menschen besser machen – was kann man mehr erreichen?


Prof. Dr. Stephan G. Humer
Koordinator Spitzenforschung
Gründungsvorsitzender des NTF (2013-2021)

Berlin im September 2024

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